Hockewanzel - Unsere Menschen (SL)

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Eminenzen, Excellenzen, Hochwürden


Hockewanzel
Eulenspiegel Gottes
auszugsweise aus dem Nordböhmischen Heimatbrief "Trei der Heimat"
vom August 2008


Hockewanzel, ist ein Original, das im sudetendeutschen Raum seinesgleichen sucht.  Die heiteren Geschichten , die über ihn existieren, sind es wert, ihm hier eine eigene Seite zu widmen. Zwei dieser Geschichten sollen hier nacherzählt werden.
Hockewanzel ward geboren am 8. Jänner 1732 zu Neustadl. In der Neustadler Mühle wuchs Wenzel unter der Obhut seiner Mutter auf. Im Jahre 1756 wurde Wenzel Hocke im Leitmeritzer Dom St. Stephan zum Priester geweiht. Er wirkte 13 Jahre an verschiedenen Orten als Kaplan. 1769 wurde er Pfarrer in Kleinbocken. Schließlich 1779 erhielt Hocke die Ernennung zum 6. infulierten* Erzdechanten von Ober- Politz.
*Hockewanzel durfte die Inful oder Mitra tragen
97 übernahm er das Amt eines bischöflichen Vikars für den Leipaer Vikarsbezirk und wurde 1806 noch zum bischöflichen Konsistorialrat ernannt.
Hockewanzel war ein Mann der Güte und des Wohlwollens. Er half den Unterdrückten und Armen, so gut er konnte. Seine äußere Erscheinung war würdevoll. Groß und stark gebaut, schlicht und einfach gekleidet. Nur ein Kreuz aus Bergkristall schmückte seine Brust. Er war ein freundlicher Herr, dem der Schalk schon aus den Augen lachte. Sein derber Humor war gerade und offen, mit einer guten Portion Mutterwitz gemischt, dazu noch die herzerfrischende Grobheit, die jedoch nie beleidigend war.
Es wird erzählt, daß an seiner Wiege drei Paten standen: Sie gaben dem kleinen Wenzel reiche Gaben ins Leben mit. Der Steuerschreiber verlieh ihm seine unüberwindliche Abneigung gegen jedes Schreiben, der Bierschreiber gab ihm seinen ständigen Durst und die Müllersfrau vererbte ihm ihr schlagfertiges Mundwerk. Diese Gaben begleiteten ihn sein ganzes Leben lang.
Hockewanzel wurde weit über die Grenzen Böhmens bekannt. Man nannte ihn da den "Eulenspiegel Nordböhmens". Das war auch der Grund, daß ihm die Oberpolitzer zu seinem 100. Geburtstag am 30.8.1908 unterhalb des Glockenturmes der Kirche ein Denkmal setzten.   
Von Hockewanzel wurden zahlreiche Geschichten erzählt und auch aufgeschrieben. Zahlreiche Bücher sind von ihm erschienen. Heute erfährt das Polzental eine Neubelebung des Kultes um Hockewanzel. Zu seinem 200. Geburtstag wurde in der Kirche Mariä Heimsuchung ein Gottesdienst vom Generalvikar der Diözese Leitmertitz gefeiert. Das Denkmal weihte Bischof Koukl am 6.7.1997 wieder ein.
Gebe Gott, daß auch in Zukunft das Andenken dieses edlen und humorvollen Priesters erhalten bleibe.
Walter Hegenbarth


Wenzel Hocke´s Pfarrkirche

Wenzel Hocke, im Volksmund Hockewanzel

Und nun zwei Hockewanzel Geschichten:

     Mütze ohne Stecken

 
Hockewanzel durfte in seiner Eigenschaft als Erzdechant die Mitra, die Bischofsmütze, tragen. Etwas aber fehlte Hockewanzel noch, wenn er die Inful nach beendeter Feier wieder ins Futteral steckte: Der bischöfliche Krummstab. Er meinte immer: "Den Stecken müssen sie mir auch noch geben." Doch die hochwürdige geistliche Obrigkeit in Leitmeritz war trotz eifriger Bitten nicht dazu zu bewegen. Hockewanzel machte ein schriftliches Bittgesuch beim Konsistorium. Doch von da kam der Bescheid, daß das Gesuch abzulehnen sei. Hockewanzel möge nicht mehr in gleicher Sache nachzusuchen.


Wutentbrannt antwortete Hockewanzel:" Hochwürdiges Konsistorium ! Wenn ihr mir den Stecken nicht geben wollt, dann pfeif ich auch auf die Mütze! Wenzel Hocke Erzdechant."
So ein grobes Schriftstück war nun doch noch nicht in der bischöflichen Kanzlei eingegangen. Begreiflich, daß es in der Sitzung des Domkapitels darob hohe Entrüstung gab. Allgemein wurde der Wunsch nach exemplarischer Bestrafung laut. " Wohlan", sprach der Bischof, " er soll eine scharfe Rüge erhalten und im Wiederholungsfalle soll kanonische Strafe angedroht werden.
Hockewanzel indes las bedächtig die Rüge und legte sie zu seinen Akten. Er nahm die Bibel zur Hand, blätterte, und fand alsbald eine Stelle, die ihm in sein Konzept paßte.
Er schrieb an das Domkapitel: "Hochwürdige Konsistorium! Psalm 32 Vers 9. Wenzel Hocke."
Bei seiner nächsten Sitzung befand sich unter den Einläufen auch Hockewanzels Schreiben. Der Referent meinte, daß Hockewanzel sich wohl entschuldigen wolle und nach seinem Dafürhalten müsse dies folgende Bibelstelle sein: "Laß mich Herr zu deinen Füßen meine schweren Sünden büßen." Der hochwürdige Herr Domprobst zog gleich die Bibel zu Rate. Er erbleichte. Dann las er zum Entsetzen aller die Bibelstelle vor: "Seid doch nicht wie Pferde und Maulesel, die keinen Verstand haben." "Pferde", "Maulesel", "keinen Verstand haben" schallte es durch den Raum. Der Beschluß war einstimmig: Hockewanzel müsse vor den hohen Rate und sich verantworten.  
Der indes hatte in das Schwarze getroffen. Es war ein heißer Sommertag, als Hockewanzel nach Leitmeritz zitiert wurde. Dort stand er vor dem hohen Konsistorium um sich zu verantworten. Er entgegnete nur, daß er nichts dafür könne, wenn in der Bibel solche Worte stehen. Zu einem Fußfall aber war er nicht bereit. Er werde halt in Zukunft keine Bibelverse mehr schreiben. Die Versammlung stellte sich schließlich mit dieser Abbitte zufrieden und Hockewanzel wurde gnädig entlassen
Draußen auf der Straße traf er den Bartelwenz, einen Bauern aus seinem Dorf. Man unterhielt sich lebhaft. Der Bartelwenz kam vom Kreisamt und wolle nun einen Barbier aufsuchen. Ob Hockewanzel nicht einen wisse. Hockewanzel meinte: "Gleich da um die Ecke das lange Gebäude. Da geht ihr die Stiege nauf und rechts im Gang die erste Tür. Da bin ich gerade balbiert worden. Ihr könnt es gar nicht besser treffen."
Bartelwenz tat wie es ihm geheißen. Er trat oben in das Zimmer, in dem der Bischof und sein Domkapitel tagten. Erschrocken wollte der Besucher wieder umkehren. Leutselig fragte ihn der Bischof: "Was wollen Sei denn lieber Herr?" "Oh ich wollte mich nur balbieren lassen, der Herr Erzdechant hat mich raufgeschickt. Er meinte er wär da grade auch balbiert worden und ich könne es nicht besser treffen."
"Da haben wir`s "sprach der Bischof, "er ist kaum zur Tür hinaus."


Pimpels Hündel


Eines schönen Tages kam auch für Hockewanzel die Stunde, daß der Bischof zu einem Visitationsbesuch in seiner Pfarrei eintraf. Der Erzdechant fuhr mit dem Amtmann (Bürgermeister) dem Bischof bis zur Grenze seies Kirchsprengels entgegen und bracht ihn nebst Gefolge unter dröhnenden Böllerschüssen und Glockengeläute an seinen Bestimmungsort. Eine  Reihe von Festlichkeiten und Amtshandlungen mußte Hockewanzel über sich ergehen lassen. Diese nahmen für ihn einen viel zu schleppenden Verlauf. "Wenn ich´s nich besser könnte", sagte er zum Amtmann, "pfiff ´ich mir in die Hände."
Der bischöfliche Zeremonienmeister  und Sekretär- Pimpels Hündel, wie ihn Hockewanzel nannte, weil er immer um seine bischöfliche Gnaden herumschwänzelte und seine Nase überall hatte- hatte mit prüfendem Blick alle Winkel der Kirche durchstöbert und öfters missbilligend den Kopf geschüttelt. Er war dem Erzdechant gram, weil er sich durch dessen Derbheit oft empfindlich getroffen fühlte. Er wußte auch genau, wen er seinen Spitznamen zu verdanken hatte. Hockewanzel hatte bei verschiedenen Anlässen Anspielungen auf die tschechische Nationalität des Sekretärs gemacht. Der suchte nun auf eine Gelegenheit, Hockewanzel in Gegenwart des Bischofs eins auszuwischen. Bei der Visitation der Kirche glaubte er, hinlänglich Stoff gefunden zu haben.
Als man zu Tische saß, erhob der Sekretär während einer Pause seine piepsende Stimme und sprach: "Ich muß mich nur wundern, bei aller Akkuratesse, die den Herrn Erzdechanten sonst auszeichnet, es ihm nicht gelingen mag, den Kirchvater zu einer ordentlicheren Reinigung der Kirchstühle und des Fußbodens anzuhalten. Nur ungern spreche ich es aus, aber nirgends habe so viel Staub angetroffen, als in dieser der heiligen Gottesmutter geweihten Kirche in Politz."
Alle schauten gespannt auf den Erzdechanten, der in so hinterhältiger Weise angegriffen wurde. Auch der Bischof blickte besorgt auf Hockewanzel und dachte: "Wie wird der sich wohl jetzt helfen." Über Hockewanzels Gesicht flog kurz eine kleine Röte des Zorns, dann hatte er sich gefaßt. Er nahm den Sekretär scharf auf´s Korn und sagte: "Da brauchen Sie sich gar nicht so zu wundern, denn das habe ich so angeordnet, daß meine Pfarrkinder den Herrgott nicht ins Gesicht neilügn brauchen." "Ja, wieso denn  ?" fragte Pimpels Hündel.
"Na des Rätsels Lösung will ich Ihnen gleich geben: Wenn ich zum Beispiel am Samstag die Kirche auskehren ließe, so lügen doch am Sonntag drauf meine Kirchkinder unserem Herrgott ins Gesicht, wenn sie bei der Messe singen:
"Allmächtiger , vor dir im Staube bekennt dich deine Kreatur."
Alle lachten; auch der Herr Zeremonarius lachte gezwungen mit. Hockewanzel aber hielt ihn mit seinem Blick fest und ging selbst zum Angriff über: "Na also, hab ich Ihnen Ihre Frage beantwort`. Nun komm´ Sie an der Reih´! Sagen Sie mir mal: Wie oft hat denn der Herr Jesus geweint?"
Nach kurzem Besinnen antwortete der so Gefragte: "Zweimal, soweit uns die Schrift darüber berichtet, und zwar über Jerusalem und am Grabe des Lazarus." "Nein, dreimal." "Ich wüßte nicht, wenn das gewesen wäre." "Das kann ich Ihnen gleich sagen: Wie ihn seine Mutter wollte ins Böhmische schicken."

So hatte Hockewanzel wieder mal die Oberhand behalten. Schlagfertig hatte er gezeigt, wer der Herr im Haus ist.

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